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No Budget, Low Budget, Sixt Budget...

Früher waren Filmproduktionen einfach nur schweineteuer. Heute gibt es endlich toll klingende Etatklassifizierungen, die suggerieren, das alles auch viel, viel billiger geht. Seit Begriffe wie "No Budget" und "Dogma" auch einer gewissen Anzahl von normalen Leuten geläufig sind, hat Filmemachen für gewisse Kreise nichts mehr mit Profession sondern eher mit Patriotismus zu tun. Schuld daran ist auch der Publikumserfolg von Streifen wie "Blair Witch Project".

Während in früheren Zeiten mit Low Budget nicht unbedingt ein cineastisches Highlight assoziiert wurde, tragen inzwischen, RTL 2 und Co sei Dank, sogar echte Fernsehproduktionen das Prädikat "Low Budget".

Inzwischen, wahrscheinlich auch weil es gerade Mode ist, werden diese Begriffe inflationär verwendet. Sogar Amateure versuchen ihre Machwerke bereits mit dem Etikett "No Budget" zu versehen. Dabei ist diese Wortkonstruktion eine schlichte Realitätsverschiebung. Ich behaupte mal, das es wirklich noch niemand geschafft hat, komplett ohne Geld einen ernsthaften Film zustande zu bringen.

Denn wer keine Kamera hat und noch nicht mal ein paar Euro für eine Videokassette, der wird auch nichts aufnehmen können. Ganz ohne Kohle geht es eben doch nicht. Und hier fängt das Dilemma an. "No Budget" und Konsorten waren - und sind meiner Meinung noch - Begriffe des professionellen Films. Das ein Amateurfilm kein Geld kostet ist allerdings auch ein Märchen. Gläubige Videoten haben dank einer eingespielten Werbeindustrie in der Regel ein kleines Vermögen für ihren Schrott bezahlt.

Irgendwann bekam ich sogar mal Fakten in die Finger, welche eine Budgetklassifizierung im Falle einer Spielfilmproduktion erleichtern sollen.

Demnach kosten also No-Budget-Produktionen bis maximal 15.000 DM (in Euro die Hälfte), wichtiges Kennzeichen: alle Beteiligten arbeiten unentgeldlich mit (Profis, wohlgemerkt!), bezahlt wird höchstens das Material (Filmmaterial und dessen Entwicklung, Videokassetten, Kosten für Licht, Fahrzeuge und Catering).

Für solche Produktionen Profis zu gewinnen, die auch noch etwas draufhaben, ist extrem schwer. Es sei denn der Produzent bzw. dessen Absichten, lassen das eigene Renomee in einem besseren Licht erscheinen. Ansonsten kann es sich ein Profi schlicht finanziell gar nicht leisten, eine Woche bezahlte Aufträge sausen zu lassen, um aus reinem Idealismus irgendjemanden zu unterstützen.

Die beste Gesellschaftsordnung für No-Budget-Produktionen wäre der Kommunismus. Dort ist nämlich das Geld abgeschafft und jeder lebt nach seinen Bedürfnissen. Doch leider hat schon die Vorstufe, der Sozialismus, aufgrund der Raffgier Einzelner kläglich versagt. So müssen wir wohl oder übel noch eine kleine Weile mit dem faulendem Schweinekapitalismus auskommen. Frei nach Karl Marx...

Low Budget Produktionen kosten dann ab 15.000 DM aufwärts bis zu etwa 500.000 DM. Hierbei arbeiten an den wichtigsten Positionen (unter)bezahlte Profis. Das betrifft in der Regel die Stelle des Regisseurs, Ton- und Kameraassistenz, den Kameramann, Toningeneur und die Beleuchter. An Positionen wie den Darstellern kann man unter Umständen mit Laien bzw. Amateuren arbeiten. Die kriegen dann in der Regel kein oder sehr wenig Geld, meist ist gerade noch eine Aufwandsentschädigung drin.

Inzwischen bringen es Fernsehproduktionsfirmen fertig, ihre Machwerke als Low-Budget zu produzieren. Dank einer Heerschar junger, williger, arbeitsloser Schauspieler, werden uns Doku-Soaps, Gerichts-Shows, pseudo-realistische Superstar-Castings und ähnlicher Blödsinn noch längere Zeit erhalten bleiben, sollte die Quote nicht vorzeitig in den Keller gehen.

Ab Mid Budget ist die Welt der Profis wieder (halbwegs) in Ordnung. Ab ca 1.000.000 DM Budget kann man in Deutschland tatsächlich einen richtigen Spielfilm produzieren. Hier kann es sogar passieren, das alle Beteiligten nach Tarif bezahlt werden.

Spätestens jetzt werden angesichts solcher Zustände die hoffnungsvollen Amateurfilmer, pardon "Möchte auch gern - No-Budget - Produzenten", bitterlich zu weinen anfangen. Hoffentlich ziehen diese Leute die richtige Schlüsse, die billige Handycam in den Mülleimer zu werfen und tief in sich zu gehen.

Während nämlich ein Profi von seinem Können leben muss, sprich: er muß Geld verdienen; geht es beim Amateur- und halbprofessionellen Film nicht in allererster Linie ums Finanzielle. Es entstehen zwar auch Kosten - doch diese lassen sich einfach nicht vergleichen. Ein Amateurfilm ist und bleibt ein Amateurfilm, auch wenn er noch so gut ist, Zuschauer hat und "kein Geld" gekostet hat. "No Budget" meint da etwas völlig anderes. Nämlich die Produktion eines Films im Hinblick darauf, um irgendwo wieder Geld herein zu bekommen, etwas "zu verdienen".

Quellen: Film & TV-Kameramann
PS: Der Verfasser ist Amateur, Semi-Profi - aber auf keinen Fall ein Profi...


Ergänzt am 6.2.2003