Der perfekte 3-Chip-Camcorder.
Liebe Redaktion,
als Grenzgänger zwischen "Amateur und Profiwelt" schätze ich auch Ihre Zeitschrift als glaubwürdigen Informationslieferanten. Schlimm wird es jedoch, wenn in subjektiven Beiträgen - manchmal auch Kolumne oder Glosse genannt - die Wahrheit, Halbwahrheiten und Gerüchte verquirlt werden, um sie über dem ahnungslosen Konsumer auszuschütten.
Einer dieser Beiträge war der oben beschriebene. Da diese Art von Lobpreisungen auf die tolle Amateurtechnik, die ja bald schon die Profitechnik eingeholt hat, zunehmen, möchte ich Sie, zumindest stellvertretend für alle Amateurzeitschriften, mit meinen Anmerkungen überschütten.
Zuallererst ein paar Einführungsfloskeln: Qualität hat eben ihren Preis - und der Konsumer möchte alles mögliche ziemlich gut und möglichst billig. Seitdem findige Marketingstrategen erkannt haben, das auch der Amateurvideofilmer durch Werbung beliebig beeinflussbar ist, wird dem Konsumer durch bunte Prospekte eingeredet was er wirklich braucht. Dazu kommt, Anwesende vielleicht ausgenommen, das der Konsumer im großen und ganzen von der Materie keine Ahnung hat und es zum Teil sogar bewußt ablehnt grundlegend in die ihm angebotene Technologie einzusteigen.
Demhingegen steht der interessierte Amateur sämtlichen zugänglichen Informationen sehr aufgeschlossen gegenüber und saugt alles auf was er geboten bekommt. Da Konsumerfilmer in der Regel Einzelgänger sind und sich äußerst selten organisieren (Organisierte Filmer haben i.d. Regel einen erheblich höheren Wissenstand), ziehen sie ihre Infos aus allen möglichen Zeitschriften, die zu diesem Thema auf dem Markt sind. Was dort drinsteht ist quasi Gesetz für diese Leute. Schlimm, wenn es sich dabei um Halbwahrheiten handelt, aber das wissen die Konsumenten ja nicht.
Fakt ist nach wie vor: Eine vierzig Jahre alte Super-8-Filmkamera kann immer noch gute Dienste leisten, eine zehn Jahre alte Amateur-Videokamera ist ein Fall für den Schrott.
Was gerne verschwiegen wird: Auch die Profitechnik hat große Fortschritte gemacht. Die Tatsache, das inzwischen ab und an Amateurtechnik von Fernsehprofis eingesetzt wird, hat eigentlich weniger mit deren Qualität sondern mit Kostengründen zu tun.
So sind immer noch sämtliche Konsumerformate bis hoch zu DVCAM nach wie vor laut Pflichtenheft der Fernsehanstalten ein sogenanntes "Ausnahmeformat", das nur in begründeten Sonderfällen zum Einsatz kommen darf. So oft wie von der "Konsumerpresse" suggeriert kommen Amateurgeräte gar nicht zum Einsatz. DV-Material wird von Sendeanstalten in der Regel nicht eingekauft. Jede Redaktion wird Ihnen das Bestätigen. Nur der geneppte Konsumer macht sich ja vielleicht Hoffnungen?
Zu Ihrem Artikel: Ob ein neuerer, günstiger 1-Chip-Camcorder ein besseres Bild aufzeichnet, als eine 10 Jahre alte Betacam wage ich zu bezweifeln, da man dies immer in der Relation zur Anwendung und der Aufnahmesituation sehen muß.
Erklärung gefällig? Professionelle Kameras, einschließlich Broadcastbereich, waren noch nie auf Lichtstärke optimiert. Eine neuere 1-Chip-Kamera mag daher bei wenig Licht weniger Rauschen als das Profiteil, welches man im Gain dann schon stark hochschalten muß um den gleichen Videopegel zu erhalten.
Im professionellen Bereich wird vorausgesetzt, das daß Aufnahmeobjekt fernsehgerecht ausgeleuchtet ist. Professionelle Kameras haben ihre Qualitätskriterien bei der Farbauflösung, Modulationstiefe und Bilddurchzeichnung in hellen Bildbereichen. Profikameras haben immer noch das Privileg einer leistungsstarken dynamischen Kontrastkorrektur (bei SONY DCC, bei anderen auch Auto Knee o.ä. genannt).
Was mit der gleichen Bezeichnung in Amateurkameras eingebaut wird, spottet jeder Beschreibung und ist einfach nicht dasselbe!
Bei Konsumerkameras mit ihrer automatischen Schwarzwertanhebung gibt es auch kein echtes Schwarz. Weder bei der TRV 900 noch bei der VX2000! Und kein Amateur kommt auf den Gedanken, dieses auszuschalten.
Ich möchte nicht die Diskussion um die Ausschuß-CCD aus dem Profibereich, die noch in Consumerkameras eingebaut werden können, aufleben lassen. Dies ist wirklich Quatsch. Aber etwas ist dran an der Sache. CCD's in Profikameras werden mit einer viel höheren Auslesefrequenz betrieben. Profi-CCD's sind streng selektiert (bei der CCD-Produktion entsteht bekanntlich viel Ausschuß). Amateur-CCD's dürfen etwas mehr Fehler aufweisen.
Damit das nicht so ganz schlimm auffällt, gibt es im Amateurbereich billige Korrekturschaltungen um defekte Pixel zu kaschieren.
Diese Billigtricks funktionieren aber nur mit vom Werk festgestellten Pixeln. Nachträglich im Betrieb ausgefallene Pixel berücksichtigt diese Schaltung nicht.
Besonders ältere PANASONIC CCD's neigen gern zu Pixelausfällen. Dazu kommt, das ein CCD-Block-Tausch bei Amateurkameras nicht vorgesehen ist. Dieser ist fast so teuer, wie die ganze Kamera neu gekostet hat. Im Profibereich ist der Tausch des CCD-Blocks zwar ebenfalls sehr teuer; aber durchaus an der Tagesordnung, besonders im Broadcastbereich.
Wie "gut" Aufnahmen einer AmateurDV und einer Beta zusammenpassen kann man fast täglich auf VIVA oder auch RTL2 sehen. Fragen Sie mal einen Proficutter. Dieser Mensch muß nämlich ganz schön tricksen damit das DV-Zeug nicht ganz so stark abfällt. Besonders die Farbwiedergabe der AmateurDVs ist indiskutabel. Das ist auch der Grund warum in vielen typischen "szenigen" bzw "boulevardigen" KonsumerDV-Zweitkamera-Einsätzen die (Wackel) Bilder der Zweitkamera schwarz/weiß sind.
Der Vergleich Digibeta - DV hinkt ebenfalls. Klar, DV ist um Längen besser als VHS oder S-VHS. Aber in der 1. Generation sieht so gut wie alles toll aus. Wenn Sie jedoch das Digibetamaterial z.B. 7 mal digital kopieren -über SDI versteht sich- dann werden Sie schon den Unterschied zu DV sehen, wenn Sie das DV-Material ebenfalls sieben mal über FireWire kopiert haben, inklusive aller DV-Banddropouts bzw. Festplattenaussetzer. Das Ergebnis Ihrer Arbeit sollten Sie dann auch auf einem richtigen Klasse-1-Monitor begutachten. (Ein Neuer - Nicht ein zehn Jahre alter Gebrauchter!)
Damit kommen wir nahtlos zum nächsten Absatz Ihrer Kolumne. Das DV-Bänder nicht allzu stabil sind und dazu ziemlich dropoutfreudig ist eine persönliche Erfahrung von mir. Um mit DV vernünftig arbeiten zu können, muß man die Kassetten vorher einmal mit Schwarzbild bespielen. Ansonsten treten Dropouts von bis zu 2 Sekunden Länge auf.
Die Toleranzen der DV-Laufwerke sind außerdem so klein, das schon ein bißchen Staub bzw ein Sandkorn die ganze Kamera killen kann. Ein Band mit Aufnahmen aus Las Vegas, die ein Kunde zum Schneiden mitbrachte, demonstriert das ganze Dilemma. Es gibt auch schon 4 Jahre alte MiniDV Tapes im Kollegenkreis die nur im Archiv gelegen haben, aber bereits im Dropoutverhalten indiskutable Werte zeigen.
An die Archivfestigkeit von DV-Aufnahmen sollte man besser keinen Gedanken verschwenden. Nur soviel: wer seine alten VHS, S-VHS und Betamax-Aufnahmen auf DV überspielt und die Originalbänder anschließend weggeschmissen hat, ist in meinen Augen ein Idiot! Denn wer seine VHS-Kassetten nicht so aufbewahren kann, das sie zehn Jahre halten, der wird seine DV-Bänder auch nicht optimal lagern!
Mit DV verhält es sich nämlich ähnlich wie mit den Hi8-ME Bändern. Die schmieren nämlich auch.
Übrigens: Es gibt auch Camcorder im Preissegment zwischen 5000 und 7000 Euro. Bildwandler und Signalelektronik sind bei echten professionellen Geräten tatsächlich aufwendiger. Einiges habe ich ja schon oben beschrieben. Vor fünf Jahren wollte ich den Unterschied auch noch nicht glauben. Bis ich dann doch auf analoge S-VHS Profitechnik umgestiegen und seither sehr zufrieden bin.
Meine inzwischen schon 10 Jahre alte JVC GY-X1 macht immer noch Bilder die alles bis hoch zur VX2000 in den Schatten stellt, genug Licht vorausgesetzt. Aber das mit dem Licht habe ich ja schon weiter oben erklärt. Sie können ja mal einen Konsumercamcorder und eine Profikamera aufschrauben und vergleichen.
Fragen Sie mal einen Profi-Servicetechniker. Die reparieren nebenbei zwischen ihren Digibetas auch schon mal die kaputte DV-Kamera eines guten Kunden. Die werden Ihnen die gravierenden Unterschiede in der Bildsignalverarbeitung eines Konsumer- und eines Profigeräts ausgezeichnet erklären können.
Hier kommen wieder die Relationen zum Tragen: Was will der Amateur - Was will der Profi?
Die Amateurkamera ist dazu gedacht, im Urlaub wild umhergeschwenkt zu werden. Die Bilder werden einmal angesehen, in der Regel nie geschnitten und landen in irgendwelchen Schubladen oder die Kassette wird wieder überspielt, frei nach dem Motto: " auf der Verpackung steht doch bis zu tausend mal wiederbespielbar...". Demzufolge sind Amateurgeräte nicht fürs ernsthafte Arbeiten gedacht, sondern eher dafür, die meiste Zeit ihres Daseins im Schrank zu liegen. Daher sind die Laufwerke und die Elektronik auch reichlich abgemagert.
Der Profi will seine Aufnahmen schneiden. Bis zur Endfertigung liegt das Material möglicherweise in der 4. Generation vor. Hier braucht man Kopierreserven. Digitaler Schnitt a la AVID hat hier einiges vereinfacht. Plötzlich braucht man nicht mehr ganz soviel Reserve. Und da ja eh alles immer billiger produziert werden muß, geht plötzlich auch schon mal DV als Zweit- oder versteckte Kamera. Oder man kann sie irgendwelchen wilden Tieren oder einem Fallschrimspringer an den Kopf kleben. Wenn die Kamera dabei verlorengeht, ist der Schaden nicht ganz so schlimm wie beim Verlust einer guten BetaSP, denn eine Amateur-DV-Kamera stellt für einen Profi keinen großen Wert dar.
Profis ziehen ihr DV-Material zum Schneiden sowieso generell auf Beta. Ich kenne jedenfalls genug Produktionen die es so machen. Und wenn das Endprodukt auf Beta auch einigermaßen nach Beta aussieht, dann ist vollkommen egal, mit welcher Kamera die Bilder aufgenommen wurden. Nur darauf kommt es schließlich an. So relativiert sich auch die Auskunft der Sender kein DV-Material kaufen zu wollen.
Ob die GY DV300 Bilder aufzeichnet die "ohne weiteres sendefähig" sind, sei erst mal dahingestellt. Wenn das Material nämlich für den Sender interessant ist, ist sogar VHS plötzlich sendetauglich.
Außerdem kommt diese Kamera aus dem Angebot von JVC-professional (wie auch die GY-X1), was man schon daran sieht, das sich (auch ein großer Unterschied zum Konsumer) der Timecode frei setzen lässt. Beworben wird das Teil aber als "Streamcorder", wegen seiner MPEG-4-Fähigkeiten, womit der zugedachte Einsatzzweck im Profibereich klar wird: Als bessere Webcam! ...einmal in die Ecke und nie wieder anfassen!
Thema Optik: Eine gute Industrieoptik für einen Industriecamcorder (DSR300; UVW100; GY-DV500 etc.) kostet in etwa genausoviel wie eine TRV950 komplett. Das hat mehrere Gründe: Diese Optiken haben Linsen aus richtigem optischen Glas. Und das ist sehr teuer, wie der Konsumer inzwischen, CANON sei Dank, auch weiß. Außerdem haben diese Optiken eine erheblich höhere optische Präzision, wie sie nur noch Leute mit einem gutem Fotoapparat oder S8 Filmer kennen. Inzwischen ist bekannt, das die Optik der qualitätsmindernde Flaschenhals der besten Konsumer-DV Camcorder ist.
Außerdem haben inzwischen viele Amateurvideofilmer, die sich zu einer Mehrkameraproduktion zusammenschließen wollten, herausgefunden, das es kaum baugleiche Geräte gibt, die auch das gleiche Bild abgeben. Dies liegt in erster Linie an der unglaublichen Serienstreuung im Amateurbereich, zum anderen aber auch daran, das Konsumergeräte nicht vernünftig abgeglichen werden können. Dies ist schlicht nicht vorgesehen, aber auch nicht notwendig. Eine Amateurkamera sieht, wenn sie nicht defekt ist, in der Regel nie den Service.
Kein professionelles Team wird jemals mit einer GY-DV300, einer VX2000 oder DSR-PD150 als Hauptkamera losziehen. Das hat nicht nur mit den technischen Daten, sondern auch mit dem Handling und der mechanischen Robustheit zu tun. Das begreifen allerdings die meisten Amateure nicht.
Ein befreundeter Kameraassistent erzählte mir einmal, das sein Team auf Dreh von einem Amateurfilmer angesprochen wurde, der es nicht verstehen konnte, warum die Profis so eine große und schwere Kamera mit sich herumschleppten. Seine kleine Handycam von SONY würde es doch auch tun. Das die "große und schwere" SONY BVW 400AP (Betacam SP, analog) mühelos jeden Konsumerplastikmüll in Bild und Tonqualität an die Wand bläst, wollte der Amateur nicht verstehen.
Auch das zum professionellen Arbeiten immer ein gutes Stativ gehört, wird von vielen Amateurfilmern gerne ignoriert. "Meine Kamera hat doch einen Bildstabilisator..." hört man dann als Begründung. Und so sehen die Bilder dieser Leute auch aus: Im vollen Telebereich aus der Hand gefilmt, das Bild tanzt, das einem schlecht wird und der Autofokus weiß auch nicht so richtig, was er in der kurzen Zeit so alles scharf stellen soll. Um vernichtenden Kritiken zu trotzen, wird das eigene Werk auch gern zur Kunst erklärt.
Als Argument gegen das Stativ bekommen PC-Gläubige dann noch Testberichte frei Haus von irgendwelchen Programmen, die verwackelte Aufnahmen nach einer geringen Rechenzeit fast wie vom Stativ stabilisiert erscheinen lassen.
Doch manchmal bekommen auch solche Leute die Erleuchtung: In einer anderen Videozeitschrift stand einmal in der Leserbriefspalte: Ich filme mit einer DV-Kamera von XYZ. Aber die Bilder im Fernsehen sehen immer besser aus, als die von meiner Kamera. Oder hatte der Filmer nur einen halbwegs guten Fernseher zu Hause?
Jedenfalls hier meine Bitte: Wenn Sie schon Amateur und Profitechnik vergleichen - bitte immer den Bezugspunkt mit angeben. Und fragen Sie einmal vorurteilsfrei einen Profi!
An die Redaktion VIDEOKAMERA objektiv, bezugnehmend auf den Artikel "Der perfekte 3-Chip-Camcorder", Heft 4/2002
Stand 1.2.2003